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Die Hamburger Liedertafel im Hamburger Rathaus
Chorverband

200 Jahre Hamburger Liedertafel von 1823

Senatsempfang zu Ehren der Hamburger Liedertafel von 1823

Pünktlich auf den Tag genau zum 200. Geburtstag gab der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg zu Ehren der Hamburger Liedertafel von 1823 einen Senatsempfang. Feierlich gratulierten Kultursenator Dr. Carsten Brosda und unser Präsident des Deutschen Chorverbandes Christian Wulff. Beide waren sichtlich beeindruckt von der hohen Qualität der Laienchormusik. Besonders Herr Brosda durfte zur Kenntnis nehmen, dass neben Gratulation und Freude, auch Kritik Platz fand. Hamburg ist das einzige Bundesland ohne nennenswerte Förderung der Laienchöre. Herr Wulff fand in seiner Ansprache auch dazu passende Worte. Nun ging es aber nicht um Politik, sondern um einen Chor in unserer Stadt, der wie kein anderer mit dieser verwachsen ist. Herr Brosda fand mehrfach lobende Worte für die Verdienste der Liedertafel um Kultur und Repräsentation der Stadt Hamburg und die Verbundenheit des Senats mit dem Chor.

Die Festansprache hielt der Journalist Hubertus Godeysen (hier Auszüge, in eigenen Worten).

Die Anfänge der Hamburger Liedertafel

Ohne Napoleon hätte es den Männerchor wohl nicht gegeben, denn er gründete sich aus Freiheitskämpfern der Hanseatischen Legion, die erfolgreich die französischen Besatzer vertrieben hatten und deshalb im Jahr 1823 ihr 10-jähriges Stiftungsfest feierten. Für die musikalische Ausgestaltung ihres Festes hatten sie den bekannten Dirigenten Albert Methfessel nach Hamburg geholt, der danach am 19. April 1823 mit den ehemaligen Legionären die Hamburger Liedertafel gründete, anschließend in Hamburg blieb und das musikalische Leben in der Stadt maßgeblich prägte. Die Gründungsmitglieder der Liedertafel entstammten vorrangig Kaufmannsfamilien, denen sich Sänger aus den Hamburger Logen, darunter Professoren, Senatoren, Anwälte und Reeder anschlossen.

Das von Albert Methfessel komponierte Lied „Stadt Hamburg an der Elbe Auen“ wurde erstmals öffentlich am 29. September 1828 von der Hamburger Liedertafel gesungen und fehlt seitdem bei keinem Konzertauftritt der Sänger. Seit 1890 wurde Methfessels Lied zur offiziellen Hymne der Stadt Hamburg erklärt.
Die Anfänge des Chores fielen in die Zeit des Deutschen Bundes, als Deutschland aus 39 souveränen Staaten bestand, deren Fürsten die in den Freiheitskriegen gegen Napoleon versprochenen Freiheitsrechte und die Bildung eines geeinten Deutschlands der Bevölkerung verweigerten. In dieser Zeit entwickelten sich die deutschen Männerchöre, die im Gegensatz zu den Burschenschaften nicht verboten wurden, zu einer breit im Bildungsbürgertum verwurzelten Bewegung, die bürgerliche Rechte und einen geeinten deutschen Nationalstaat forderten.
Das liberale Hamburg unterstützte diese Forderungen und ehrte am 5. Oktober 1841 den badischen Politiker Prof. Karl Theodor Welcker für seinen Kampf um eine deutsche Verfassung. Im Auftrag des Senats sang die Hamburger Liedertafel, gemeinsam mit der Turnerschaft, erstmals an diesem Tag das neue „Lied der Deutschen“, das gerade von Julius Campe in Hamburg verlegt und gedruckt worden war. Gedichtet hatte das Lied Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 auf Helgoland und konnte nun persönlich erleben, wie sein Deutschlandlied am Jungfernstieg uraufgeführt wurde. Heute ist die dritte Strophe dieses Liedes die deutsche Nationalhymne.

In der langen Geschichte der Hamburger Liedertafel von 1823 folgten viele historische Momente, in denen die Sänger den Senat und die Bürgerschaft bei Veranstaltungen unterstützten, sich maßgeblich bei bedeutenden Musikfesten einbrachten, das Chorwesen förderten und ihre Heimatstadt musikalisch vertraten.

Von Hamburg in die weite Welt

Neben der Freude am Gesang und am Tafeln, entstand bei den Sängern auch früh das Bedürfnis, sich sozial zu engagieren. So veranstalteten sie in Hamburg Wohltätigkeitskonzerte für Bedürftige und unterstützten medizinische Einrichtungen wie die „Taubstummenanstalt“, das städtische Krankenhaus St. Georg und den „Verein für Armen- und Krankenpflege in St. Georg“.

In den 1920er Jahren und dann erneut ab 1950 baute der Chor eine internationale Zusammenarbeit auf und veranstaltete Konzerte mit europäischen Chören. Auch folgten enge Partnerschaften mit Männerchören im geteilten Deutschland, in Europa und zu japanischen Chören.

Join Generation-Projekt mit den Bengelsstimmen

Im Jahr 2019 hat sich der Chor Bengelsstimmen aus Hamburger Männern gegründet. Die Sänger sind alle im Alter zwischen 20 und 35 Jahren und treten in T-Shirts und Sneakern, gelegentlich auch mit Big-Band-Begleitung vor einem wachsenden Publikum auf. Durch das Projekt „Join Generation“ wuchsen die jungen Männer mit der Hamburger Liedertafel (HL) zusammen. Sie bringen sich mittlerweile als Mitglieder der HL aktiv in die Vereinsstruktur ein.

Der Vorsitzende der Liedertafel, Gerhard Pfeiffer stellte fest: „Nicht nur die Struktur, sondern auch gemeinsame Auftritte und Proben verbinden die beiden so unterschiedlichen Chöre, die in der St. Katharinen Kirche bei der Speicherstadt üben und sich dort auch auf Konzerte vorbereiten. Der Senatsempfang war ein Meilenstein in diesem Projekt!“

Eine ausführliche Beschreibung von einem „Chor und seiner Stadt“ finden Sie in der von Hubertus Godeysen akribisch erarbeiteten Festschrift zum 200. Geburtstag der Hamburger Liedertafel.  „Hymnen, Hits und Hanseaten“ (90 Seiten) kann gegen eine kleine Schutzgebühr über welcome@HL1823.de bestellt werden zu Ihnen gelangen. 

Nun aber wieder zur Veranstaltung:

Mit über 100 Sängern präsentierte die Liedertafel mit befreundeten Chören ein spannendes musikalisches Rahmenprogramm mit Liedern aus verschiedenen Epochen. Unter der Leitung von Kazuo Kanemaki, Tom Kessler, Torben Tietz und René Clair gab es natürlich den Sängergruß und die Hamburg Hymne (beides Methfessel) zu hören. „Ein Kompliment“ (Sportfreunde Stiller) an die Stadt Hamburg sangen die Bengels mit Beteiligung der Liedertäfler und Freunden. Völlig überrascht waren die Gäste als bei dem Gesang „Im Wald“ (C.M.v Weber) eine Gruppe von Sängern ein Echo aus dem hinteren Bereich des Saales erklingen ließ. „Die Landerkennung“ (Grieg) mit Klavierbegleitung von Antonina Rubstova (brillant wie immer) brachte durch annähernd 100 Männerstimmen den Saal zum Beben. Die „Hymne an die Zukunft“ – Untertitel des Liedes „Ihr von Morgen“ (Udo Jürgens) – galt als Apell an die jungen Leute, die Glut und das Feuer des Männergesangs in die Zukunft zu tragen. Das musikalische Programm endete schließlich mit der gemeinsam gesungen Nationalhymne „Lied der Deutschen“. Gänsehaut war garantiert.

Der gemeinsame Umtrunk, zu dem die Liedertafel in den schönen Räumen des Rathauses lud, bot sich für angenehme Gespräche an und wurde rege genutzt. Eine außergewöhnliche und beeindruckende Veranstaltung, die eine grandiose Würdigung zum 200. Geburtstag der Hamburger Liedertafel darstellte. Vielen Dank an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und alle Mitwirkenden und-helfenden.

Gerhard Pfeiffer